Ortsgüterbahnhof Frankfurt (Oder)
Um die Jahrhundertwende nahm der Güterverkehr auf dem Frankfurter Bahnhof erheblich zu. Allein im Zeitraum von 1895 bis 1903 stieg er um 83 Prozent. Die beengten Verhältnisse auf dem heutigen Personenbahnhof und die großen Entfernungen zwischen den einzelnen Ladestellen (Posener Hof und Ostbahnhof) ließen die Forderung nach einen separaten Güterbahnhof immer deutlicher werden. Im Stadtplan von 1908 ist sogar auf dem Standort der späteren Güterabfertigung eine Ladestelle eingezeichnet. Vermutlich ist sie aus den Überresten des Güterbahnhofes der Berlin-Stettiner Eisenbahn, der von 1877 bis 1881 dort bestand, hervorgegangen.
Am 1. April 1910 wurde mit dem Bau des Verschiebebahnhofes (ab 29.09.1963 Rangierbahnhof) begonnen. Bis auf einigen Hochbauten war er bis zum Beginn des ersten Weltkrieges im wesentlichen fertiggestellt. Die offizielle Inbetriebnahme erfolgte jedoch erst Mitte 1917, weil die Militärverwaltung große Teile der Gleisanlagen für ihre Zwecke nutzte.
Eingebettet zwischen den höher liegenden Ein- und Ausfahrgruppen von und nach Fko Pbf entstand der Ortsgüterbahnhof mit dem Stellwerksbezirk Fgf (Frankfurt Güterbahnhof Feuerrampe) als gleisseitiger Zugang. Der straßenseitige Zugang wurde auf dem Südende von der Fürstenwalder Straße mit großen Tordurchfahrten eingerichtet.
Über den Stellwerksbezirk Fgf erfolgte mehrmals am Tage vom Verschiebebahnhof aus die Zu- und Abfuhr der Wagen. Der Baukörper des Stellwerkes wurde 1914 errichtet und 1915 mit elektromechanischer Technik ausgerüstet. Diese Ausrüstung stand nach 1945 nicht mehr zur Verfügung. Es wurde Handweichenbetrieb eingerichtet. Als Betriebspersonal waren in jeder Schicht ein Aufsichter, ein Stellwerksmeister bzw. Handweichenwärter, ein Rangierleiter, zeitweise auch noch ein Rangierarbeiter vorhanden.
Für die Erledigung der Aufgaben konnten 25 Gleise mit einer Gesamtlänge von rund 4000 Meter, zwei Güterböden und umfangreiche Zusatzanlagen genutzt werden.
Gleisanlagenanlagen laut Bahnhofsbuch 1987
Gleis Nr. |
Länge m |
Zweckbestimmung |
Bemerkung |
|
102 |
200 |
Kontrollterritorium Trapo |
Stumpfgleis |
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117 |
90 |
Verbindungsgleis (Berggleis Fgf) |
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|
118 |
148 |
Aufstellgleis Bm |
|
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122 |
|
Kontrollterritorium Trapo |
Stumpfgleis |
|
123 |
|
Kontrollterritorium Trapo |
|
|
126 |
246 |
Gleis der Wagenwäsche |
|
|
127 |
207 |
Gleis der Wagenwäsche |
|
|
128 |
143 |
Dung- und Brandwagengleis |
Stumpfgleis |
|
129 |
65 |
Verbindungsgleis |
|
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131 |
140 |
Gleis Regulierrampe |
Stumpfgleis |
|
133 |
200 |
Abstellgleis |
Stumpfgleis |
|
134 |
150 |
Abstellgleis |
Stumpfgleis |
|
143 |
312 |
VEB Kohlehandel |
Stumpfgleis |
|
144 |
341 |
VEB Kohlehandel |
Stumpfgleis |
|
145 |
365 |
Krangleis für Mittelcontainer |
Stumpfgleis |
|
146 |
370 |
Krangleis für Mittelcontainer |
Stumpfgleis |
|
149 |
105 |
Ladegleis für Grosscontainer |
Stumpfgleis |
|
150 |
100 |
Ladestrassengleis mit Bockkran bis 20 t |
Stumpfgleis |
|
153 |
319 |
Lager 1, Stückgut-Ortsempfang und Versand; 50m am Abschluss als Speditionsgleis |
Stumpfgleis |
|
156 |
96 |
Gleis für Ermittlungswagen; Stückgut Import |
Stumpfgleis |
|
157 |
90 |
Gleis Bühne 2; Stückgut Import |
Stumpfgleis |
|
158 |
138 |
Gleis Bühne 3; Stückgut Import |
Stumpfgleis |
|
161 |
165 |
Gleis Bühne 4; Stückgut Import |
Stumpfgleis |
|
165 |
258 |
Gleis Lager 2; Stückgut-Ortsempfang- und Versand |
Stumpfgleis |
|
167 |
35 |
Bm-Gleis und SKL-Schuppen |
Stumpfgleis |
|
168 |
60 |
Bm-Gleis und SKL-Schuppen |
Stumpfgleis |
Zusatzanlagen laut Bahnhofsbuch 1987 |
|
|
Öffentliche Ladestraße |
Gleis 150 |
|
Umschlaganlage des VEB Kohlehandel mit zwei Krangleisen |
Gleis 143 und 144 |
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Mittel- und Großcontainerumschlaganlage mit 2 Krangleisen |
Gleis 145 und 146 |
|
Großcontainerumschlag mittels MDK |
Gleis 149 |
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Freiladerampe mit Rampengleis für Ga (Lager 1) |
Gleis 153 |
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Güterhalle mit Lagergleis (Lager 2) |
Gleis 165 |
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3 Ladebühnen mit je einem Bühnengleis |
Gleis 157, 158, 161 |
|
Regulierrampe mit 140 m Nutzlänge mit einer Seitenrampe |
Gleis 131 |
|
Wagenwaschanlage des Bww Frankfurt/Oder |
Gleis 126, 127, 128 |
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Aufstellgleis der Bm Frankfurt (Oder) |
Gleis 118 |
|
Schienenfahrbarer Portalkran GJM 1000 (12,5 t) |
Gleis 145, 146 |
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Stationärer Bockkran (20 t) |
Gleis 150 |
|
Zwei Gleiswaagen |
|
|
Krummer Kran |
Für Durchführung der Rangierarbeiten stand ständig eine Lokomotive zur Verfügung. Bis zum Traktionswechsel waren es überwiegend Triebfahrzeuge der BR 94 und 93 und zeitweilig auch der BR 52. Ab 1970 kamen Triebfahrzeuge der Baureihe 106 zum Einsatz.
.....Lokführer Erwin Stendel 1941 mit der Lok 94 1735 im Rangierbezirk Fgf...........Lok 364 582 am ehemaligen Stellwerk Fgf
.......................Foto: Slg Lothar Meyer
Im Zeitraum von 1924 bis 1934 schwankten die Güterverkehrsmengen bei Wagenladungen zwischen 241 000 und 312 600 Tonnen in Empfang und zwischen 46 000 und 90 600 Tonnen im Versand. Die Empfangsmengen 1922/23 mit 538 300 Tonnen und 1923/24 mit 380 400 Tonnen ragten besonders heraus. Vermutlich wurden diese Leistungen durch Lieferungen von Baumaterialien für den Bau von Eisenbahnwohnbauten zur Ansiedlung von Beamten der Rbd Osten ab 1923 und für den neuen Personenbahnhof beeinflußt. Statistische Angaben für den Zeitraum ab 1935 liegen nicht vor. Die Kriegsvorbereitungen in den folgenden Jahren haben mit Sicherheit auch dem Frankfurter Verschiebebahnhof größere Aufgaben beschert. 1942 wurden im Tagesdurchschnitt 90 Waggon an den Ladestraßen des Ortsgüterbahnhofs zur Entladung bereitgestellt. Die Ladefrist betrug sechs Stunden. Acht Stunden nach der Bereitstellung wurden die Wagen wieder abgezogen. Kohlen kamen oft in Ganzzügen mit 45 bis 50 Wagen und rund tausend Nettotonnen. In solchen Fällen mußte der „Fahrbereitschaftsleiter“ nicht nur die Fahrzeuge, sondern auch die „aus Kriegsgefangenen gebildete Ladekolonne“ zur Güterabfertigung beordern. Auch auf dem Güterboden wurden in großer Zahl „fremdvölkische Arbeitskräfte“ eingesetzt, wie es in einem Bericht vom November 1942 heißt.
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Zeitraum.... ..... ..... Stückgut in t .. Wagenladungen in t.......
.................Empfang .........Versand ........ Empfang ............ .... Versand
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1922/23 21 400 23 200 538 300 136 600
1923/24 19 900 16 800 380 400 94 300
1924 26 900 23 600 267 900 90 600
1925 31 300 31 300 268 300 84 600
1926 30 600 30 900 027 460 82 500
1927 35 200 34 500 283 300 84 900
1928 36 000 36 000 312 600 82 300
1929 29 000 35 000 366 100 83 400
1930 26 000 33 000 268 300 70 700
1931 22 400 28 000 234 400 53 900
1932 20 400 25 000 221 500 46 000
1933 20 200 27 200 241 000 52 200
1934 20 500 31 200 281 900 58 800
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Quelle: Statistische Jahrbücher der Stadt Frankfurt (Oder), Stadtarchiv Frankfurt (Oder)
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges mussten die demontierten Gleise ersetzt, die Brücke über die August-Bebel-Straße, der Wasserturm und die Stellwerke Fgm und Fgl neu errichtet sowie weitere Stellwerke und Hochbauten instandgesetzt werden, bevor der Verschiebebahnhof 1950 wieder voll in Betrieb genommen werden konnte. Das durch Kriegseinwirkung 1945 zerstörte Hauptgebäude mit anschließendem Güterboden wurde nicht wieder aufgebaut. Nur ein kleines Gebäude für den Kraftverkehr ist entstanden.
Das Hauptgebäude der Güterabfertigung (Ga), dass bis 1945 östlich parallel zur späteren Ga stand, etwa im Jahre 1920
Foto: Slg. Bernhard Klemm
Bis 1960 war die Güterabfertigung eine eigenständige Dienststelle. Nach dem Bahnhofsverzeichnis von 1944 mit der Bezeichnung „Ga Frankfurt (Oder)“. Mit Bildung der Komplexdienststelle im Jahre 1960 wurde die Güterabfertigung dem Verschiebebahnhof zugeordnet. Im Ladebereich (Stückgutumschlag, Regulierung und die später eingerichtete Mittel- und Großcontainerabfertigung ) einschließlich Verwaltung, waren 1989 cirka 150 Mitarbeiter tätig.
Übersicht Leiter der Güterabfertigung Frankfurt (Oder
Vorname |
Name |
Von – bis tätig |
Bemerkungen |
Richard |
Szczeponek |
etwa 1948 - 1960 |
Vorsteher der Güterabfertigung |
|
|
|
Ab 1960 Güterverkehrsaufsicht |
Heinz |
Achterberg |
1960-31.01.1974 |
Leiter Abt. Verkehr, später Güterverkehrsaufsicht 1 |
Hartmut |
Lauterbach |
01.02.1974-30.09.1976 |
Güterverkehrsaufsicht 1 |
Heinz |
Albert |
01.10.1976- 1978 |
kommissarisch verwaltet |
Helmut |
Wulfert |
1978-30.09.1991 |
Güterverkehrsaufsicht 1 |
Hartmut |
Lauterbach |
04.11.1991-31.12.1992 |
Hpt-Gruppenleiter Güterverkehr |
Dieter |
Kirstein |
1993- 1994 |
Hpt-Gruppenleiter Güterverkehr |
Karin |
Dörschel |
1994- 1996 |
kommissarisch verwaltet |
Erika |
Kaczmarek |
1996- 1998 |
kommissarisch verwaltet |
Im Zeitraum 1968 bis 1989 wurden auf dem Rangierbahnhof im Durchschnitt jährlich 18 631 Züge gebildet und 16 975 Züge aufgelöst. Die höchsten Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des Bahnhofs entstanden zwischen 1971 und 1977. Der Ortsgüterbahnhof hatte bis 1989 täglich rund 300 Wagen Stückgut für die Versorgung der Oderstadt abzufertigen. Zum Einzugsbereich der Stückgutabfertigung gehörte nicht nur die Frankfurt (Oder), sondern vier weitere umliegende Kreise. Wichtigster Partner war damals der VEB Kraftverkehr.
In dieser Zeit war es kaum verständlich, wenn ältere Eisenbahner berichteten, dass in den 20er Jahren von Sonnabend Mittag bis Montag die Tore des Ortsgüterbahnhof geschlossen blieben.
Der örtliche Güterverkehr wurde in den siebziger und achtziger Jahren im wesentlichen über die Anschlußbahnen des Oderhafens und im Industriekomplex West abgewickelt.
Am 10. Dezember 1984 nahm der Großcontainerumschlagplatz (GCUP) seine Arbeit auf. Durchschnittlich 30 Container wurden täglich mit einem Mobildrehkran 504 vom Eisenbahnwaggon auf Lkw des Kraftverkehrs und umgekehrt verladen. Damit waren jedoch, wie die Presse damals berichtete, weder der Kran und die Kranführer Lothar Schulz und Wilfried Liepe noch der Lademeister Bernhard Bonacker oder die beiden Anschläger ausgelastet. Geplant war eine beträchtlichen Kapazitätserweiterung bei diesem rationellen Güterumschlag. Als im Jahre 1978 der Metallurgiehandel in Rosengarten diese Aufgabe mit übernommen hatte, wurden 1300 Container im Jahr entladen. 1984 stieg diese Zahl bereits auf 3695. Der Versandt begann im Jahre 1980 mit mageren 459 Containern und entwickelte sich bis 1984 auf 1080. Durch diese Entwicklung wurde die Arbeit auf dem Güterboden leichter und nahm ab. Trotzdem gab es immer wieder Arbeitsspitzen, die erhebliche Arbeitskräfteprobleme mit sich brachten. Die jährliche Leistung der Güterabfertigung lag 1985 bei 115000 Verkehrstonnen.
Wesentliche Aufgaben hatte der grenzüberschreitende Stückgutverkehr, der überwiegend aus Militärgut der Sowjetarmee bestand. Mitte der achtziger Jahre wurden jährlich rund 20000 Mittelcontainer im Empfang und 15000 im Versand mit einem Portalkran umgeschlagen.
Die Regulierung erfolgte auf Gleis 131 an der Laderampe. Durchschnittlich 20 Wagen täglich wurden 1985 täglich mit Hilfe eines Autodrehkranes geschafft.
Das Anschlussgleis für Minol bestand nach 1945 bis zur Verlegung der Tankstelle zur Markendorfer Straße im Jahre 1978. Das Rewag-Gebäude wurde 1910 erbaut und von der Reichsbahnwarengenossenschaft genutzt. Da es die DR erst ab 1. April 1920 gibt, konnte das auch mit dieser Bezeichnung erst von 1920 an geschehen sein. Vermutlich war das Gebäude vorher von den Bauleuten des Vbf belegt. Nach 1945 gab es dort einen Konsum und später die Kantine des Rbf. In einer Zeichnung von 1971 ist es als Sozialgebäude bezeichnet.
Mit den wirtschaftlichen Veränderungen und dem Abwandern von Gütertransporten von der Schiene auf die Straße gingen die Leistungen nach 1990 rapide zurück
und der Güterboden für Stückgut am 31.12.1994 geschlossen. Der Abriss der Gebäude der Güterabfertigung begann Anfang 2005. Am 06.09.2005 wurde die Aldi Kaufhalle am Standort des ehemaligen Güterschuppens eröffnet.
Lothar Meyer/Detlef Malzahn
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